Ursprünglich ist ein Aubussonteppich ein Teppich, der aus der französischen Gemeinde Aubusson stammt. Oder aus den Nachbarorten Felletin und Bellegarde. Heute muss ein Aubussonteppich nicht mehr unbedingt aus Aubusson stammen, sondern nur noch wie ein Aubussonteppich aussehen. Und was das Typische eines Aubussonteppichs ist und wie es dazu gekommen ist, dass eine kleine Gemeinde in Frankreich so berühmt für ihre Teppiche geworden ist, darum geht es in unserem heutigen Blogbeitrag.
Es war einmal vor langer Zeit in Aubusson…
In und um Aubusson werden schon seit mehreren Jahrhunderten Teppiche hergestellt. Wie und woher das Teppichwirken nach Aubusson gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr so genau feststellen. Bekannt ist nur, dass es schon seit dem 15. Jahrhundert viele kleine Tapisserie-Manufakturen in der Gegend gibt. Und dass das Wissen um die Handwerkskunst seitdem immer weitergegeben wurde. Und natürlich, dass sich die Teppichwirker in Aubusson schon früh wegen ihrer großen Kunstfertigkeit einen Namen gemacht haben. Übrigens: die meiste Zeit wurden in Aubusson gar nicht die typischen Aubussonteppiche, wie wir sie heute kennen, hergestellt. Sondern Tapisserien, also Wandbehänge. Und die änderten sich über die Jahrhunderte entsprechend dem aktuellen Geschmack immer wieder.
17. Jahrhundert: Ernennung zur Königlichen Manufaktur
Im 17. Jahrhundert erhielten die Manufakturen in Aubusson aufgrund ihrer Kunstfertigkeit eine besondere Auszeichnung: Die Ernennung zu königlichen Manufakturen. Das Ungewöhnliche daran ist, dass sich die anderen königlichen Tapisserie-Manufakturen in Paris befanden und große Betriebe mit vielen Beschäftigten waren. Beispielsweise die Gobelin-Manufaktur oder die Savonnerie-Manufaktur. Die Teppichwirker in Aubusson dagegen übten ihr Handwerk immer noch vereinzelt in vielen kleinen Manufakturen aus. Und all diese kleinen Manufakturen trugen ab 1665 über ihren Eingangstüren die Inschrift MANUFACTURE ROYALE DE TAPISSERIES.
Nur wenige Jahre nach dieser Ernennung geriet die Teppichproduktion in der Gegend in eine schwere Krise. Viele der Teppichwirker waren Protestanten und verloren mit der Aufhebung des Edikts von Nantes 1695 ihr Recht auf freie Religionsausübung im katholischen Frankreich. Sie flohen in umliegende Länder wie die Niederlande, Schweiz und Deutschland.
18. Jahrhundert: Wiederbelebung und neue Blütezeit
Aufgrund der großen Nachfrage nach den berühmten Teppichen aus Aubusson ging die Handwerkskunst dort aber nicht verloren. Ganz im Gegenteil. Im Laufe des 18. Jahrhunderts kam es nicht nur zu einer Wiederbelebung, sondern zu einer neuen Blütezeit. Einen großen Anteil daran hatte die Entsendung des Malers Jean-Joseph Dumons nach Aubusson im Auftrag des Königs. Dumons war von nun an für die Entwürfe zuständig. Er hielt sich dabei an die großen französischen Maler des Rokoko wie Francois Boucher, Antoine Watteau und Jean-Baptiste Oudry. Deren Bilder waren damals sehr gefragt und trafen den Geschmack der Käufer genau. Dadurch konnten die Teppichwirker in der kleinen Gemeinde im gleichen Stil wie die großen Manufakturen in Paris arbeiten und die Nachfrage nach aktuellen Motiven bedienen. Natürlich lieferten die Aubussoner nach kurzer Zeit auch eigene Entwürfe in dem gefragten Stil – und entwickelten so den typischen Aubussonteppich.
19. Jahrhundert: Das Design wird schlichter
Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung entstanden im 19. Jahrhundert auch in Aubusson große Fabriken, in denen Teppiche hergestellt wurden. In den größten von ihnen arbeiteten mehrere Hundert Angestellte. Zugleich verlagerte sich die Produktion in Aubusson weg von der Tapisserie hin zu Teppichen. Denn durch das Aufkommen der Papiertapete sank der Bedarf an Tapisserien mehr und mehr.
Die Teppiche wurden damals passend zur Innenarchitektur hergestellt. Sie passten nicht nur zu den Möbeln, sondern auch zum Fußboden und sogar zum Stuck an der Decke. Das bedeutet, dass sie wesentlich schlichter als in den Jahrhunderten zuvor gehalten waren. Der Aubussonteppich, wie wir ihn heute kennen, entstand: Eine reiche Verzierung mit dekorativen Blumenmustern – das sich übrigens von orientalischen Blumenmustern stark unterscheidet – und in der Mitte ein Medaillon. Da damals die gesamte Innenarchitektur aufeinander abgestimmt wurde, fertigte man in Aubusson auch Möbelstoffe im gleichen Design wie die Teppiche.
21. Jahrhundert: Handwerkskunst wird Weltkulturerbe
Seit 2009 gehört die Teppichwirkerei in Aubusson zum Weltkulturerbe. Und nach wie vor wird sie dort immer noch ausgeübt, denn einige Manufakturen sind noch immer in Betrieb. Zudem gibt es eine Schule, die L’école nationale d’art décoratif d’Aubusson, in der das Wissen um die Kunst der Teppichwirkerei bewahrt und weitergegeben wird. Und ein Museum, die Cité de la tapisserie, in dem man sich ein Bild von 600 Jahren Handwerkskunst machen kann. Dort sind nicht nur Tapisserien und Teppiche zu bestaunen, sondern auch Werkzeuge und Entwürfe. Und man kann natürlich viel über den Vorgang der Teppichproduktion erfahren.
Und Kunstprojekte gibt es natürlich auch weiterhin. Im 20. Jahrhundert wurden Teppiche nach Entwürfen von berühmten Künstlern wie Pablo Picasso, Georges Braque, Le Corbusier und Man Ray hergestellt. Und gerade werden in einem großen Projekt mehrere Tapisserien und Teppiche nach Vorlagen von J.R.R. Tolkien gefertigt. Ja genau, der Verfasser von Der Herr der Ringe und Der Hobbit hat nicht nur Bücher geschrieben, sondern auch gemalt und gezeichnet. Und 14 seiner Bilder können demnächst in Aubusson als großformatige Tapisserien und Teppiche bestaunt werden.
No Comments