Liebe Leser,
diese Woche geht es mal wieder um ein großartiges Stück „Teppichkultur“ und zwar um einen ganz besonderen historischen Teppich.
Die Vorstellung, dass Teppiche nicht nur schöne Dekoration sind, sondern mit ihren Bildern ganze Geschichten erzählen können, gab es schon vor mehreren tausend Jahren. Ein Teppich, dem es dabei offensichtlich schwer fällt, sich kurz zu fassen, ist der sogenannte Teppich von Bayeux. Auf einer Länge von knapp 70 (!) Metern erzählt er in unzähligen aneinandergereihten Einzelbildern von den historischen Ereignissen aus den Jahren 1065/1066, die dazu geführt haben, dass Wilhelm der Eroberer, Herzog der Normandie, im Jahre 1066 zum König von England gekrönt wurde. Weil der Teppich nur etwa nur einen halben Meter hoch ist, erinnert er dabei etwas an eine überlange Filmrolle, auf der die geschichtlichen Ereignisse chronologisch dargestellt sind.
Da es sich bei dem mittelalterlichen Teppich um eine Stickerei handelt, bei der die Bilder auf ein fertiges Leinwandgewebe aufgestickt wurden, handelt es sich zwar genau genommen nicht um einen „richtigen“ Teppich. Schließlich werden Teppiche durch Knüpfen oder Weben hergestellt. Dennoch ist es auch nicht falsch, den Begriff für diesen Wandbehang zu verwenden.
Was macht den Teppich von Bayeux so besonders?
Was aber an dem Teppich von Bayeux so erstaunlich ist – abgesehen natürlich von seiner Länge: Trotz der unglaublichen Vielzahl von Einzelszenen sind diese außerordentlich detailreich und lebendig gehalten. Das gilt nicht nur für die unzähligen Pferde, Boote und Menschen, sondern auch für die Gestik und Mimik der Menschen, die Zusammenstellung der einzelnen Szenen und ihre Ausschmückung. Offensichtlich ging es den Machern des Teppichs nicht einfach nur darum, geschichtliche Ereignisse aufzuzählen, sondern diese ganz lebendig zu gestalten und auszuschmücken – wie eine Geschichte, die jemand ganz ausführlich mit vielen Einzelheiten erzählt.
Wer den Teppich in Auftrag gegeben hat, wo und von wem er gefertigt wurde, ist dabei gar nicht abschließend geklärt, auch wenn es natürlich verschiedene Theorien dazu gibt. Das ist aber gerade weil die Bilder so lebendig und detailreich sind eine spannende Frage. Denn wie ist dieses genaue Wissen zu den Stickern gekommen? Hat vielleicht jemand, der dabei war, dafür gesorgt, dass die Bilder genau so gestaltet wurden? Bei einer alten Chronik würde man ja auch fragen, wer sie geschrieben hat, und woher das Wissen stammt. Und tatsächlich ist die Bildergeschichte auf dem Teppich von Bayeux eine Art historisches Dokument, vergleichbar mit einer geschriebenen Chronik. Deshalb ist der Teppich auch von der UNESCO zum „Weltdokumentenerbe“ erklärt worden.
Nur mal so
Wer jetzt noch Lust hat, mehr über den Teppich zu erfahren, der kann den Roman „Der geheime Faden“ von Kylie Fitzpatrick lesen. In dem Buch über eine fiktive mittelalterliche Handschrift, die eine Geschichtsdozentin in ihrem Familienbesitz entdeckt, wird eine eher ungewöhnliche Theorie über Herkunft und Bedeutung des Teppichs entwickelt. Obwohl die Zufälle, die der Hauptfigur dabei immer wieder kräftig in die Hände spielen, etwas überhand nehmen, bleibt der Roman die ganze Zeit über spannend und schafft es vor allem, einem die geschichtlichen Hintergründe näher zu bringen, ohne dabei zu theoretisch oder langweilig zu werden
Beitragsbild: Dan Koehl CC BY-SA 3.0
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