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Nepalteppich, Tibeterteppich, Nepal-Tibeter … oder wie heißt das?

Wie heißt es eigentlich richtig: Nepalteppich, Tibeterteppich oder Nepal-Tibeter? Und was ist ein Lhasa-Tibeter oder ein Indischer Tibeter? So richtig falsch ist eigentlich kein Begriff, auch wenn Nepalteppich etwas richtiger ist, als die anderen. Warum das so ist? Man könnte jetzt denken, dass die zwei Länder Nepal und Tibet durch ihre geographische Nähe eine gemeinsame Teppichtradition haben, bei der man nur schwer sagen kann, ob ein Teppich aus Nepal oder Tibet stammt. In Wirklichkeit aber verhält es sich ganz anders – denn die Teppichknüpferei ist erst durch die Flucht der Tibeter vor der chinesischen Besatzung Tibets in den 1960er Jahren nach Nepal gekommen.

Teppichknüpfen um zu Überleben

Und da man bei Tibet (wie auch bei Nepal) schnell an alte Kulturen und Traditionen denkt, die seit Jahrhunderten überliefert und gelebt werden, denkt man vielleicht an uralte tibetische Knüpfkunst, die die Flüchtenden damals im Gepäck mit nach Nepal brachten und im Exil weiter fortführten. Ein bisschen ist das auch so, aber eigentlich ist es auch anders. Denn in Wirklichkeit wurde die tibetische Teppichknüpferei in Nepal ganz gezielt eingeführt, um den dort gestrandeten Flüchtlingen Arbeit zu geben. Wegbereitend waren dabei eine Schweizer Hilfsorganisation und der schweizer Unternehmer Jo Iten-Maritz, die ab 1966 den Exilanten dabei halfen, die alte Tradition des Teppichknüpfens zu erlernen. Die Teppiche wurden gezielt für den europäischen und amerikanischen Markt produziert, um den tibetischen Flüchtlingen ein Einkommen zu ermöglichen.

Alte Tradition trifft neues Design

Da die Teppichproduktion dazu gedacht war, den Exil-Tibetern ein Auskommen zu schaffen, wurden die traditionellen tibetischen Muster, Farben und Motive flexibel gehandhabt und dem westlichen Geschmack angepasst. Auf diese Weise wurde sicher gestellt, dass die Teppiche auch wirklich Abnehmer fanden. Gleichzeitig wurde so aber auch ein der Teil der ursprünglichen Kultur fern der Heimat bewahrt und am Leben gehalten. Die Teppiche wurden beispielsweise weiterhin mit dem tibetanischen Knoten geknüpft, bei dem der Faden zunächst über eine Stange geknotet und später aufgeschnitten wird, so dass sich der Flor auffächern kann.

Die Anpassung an den modernen Geschmack bewährte sich als Vorteil auf dem Markt, da die Teppiche auf diese Weise immer wieder neu entworfen werden können – teilweise direkt nach den Wünschen der Auftraggeber. Deshalb spricht man heute auch bei den modernen Tibeterteppichen nicht mehr vom Tibeterteppich und auch nicht mehr vom Nepal-Tibeter, sondern vom Nepalteppich – schließlich ist die dortige Knüpftradition mittlerweile ein halbes Jahrhundert alt und hat eine ganz eigene Entwicklung hinter sich.

Ach ja, ein Lhasa-Tibeter ist ein Teppich entweder aus Tibet oder aus Lhasa (der Hauptstadt des Tibets) und ein Indischer Tibeter ein Teppich, der in Indien geknüpft wird – ursprünglich wie der Nepalteppich von tibetischen Flüchtlingen – und der ebenfalls in der tibetischen Tradition steht.

Eva: